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Ferdinand Lehrkind

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Metzgereien
Bäckereien
Hebammen II

Ferdinand Lehrkind hat 2 schöne Berichte über unsere ehemaligen Bäckereien und Metzgereien geschrieben. Leider hat die letzte Metzgerei in Eilpe, die Metzgerei Kaul das Ladengeschäft 2017 auch aufgegeben.

Die Berichte sind im PDF Format anzusehen.

Veröffentlicht in „Wo unsere Großeltern einkauften Hagener Einzelhandelsgeschäfte“ im ardenkuverlag Petra Holtmann Hagen“

         

Mit freundlicher Genehmigung von Verfasser und Verlag

die Eilper Bäcker

die Eilper Metzgereien

Hebammen I

Ferdinand Lehrkind

 

Hebammen in Eilpe

 

Schon im Römischen Reich übten Frauen Heilberufe aus. Der Arzt Soranus von Ephesos bescheinigt bereits 138 vor Christus den Hebammen ein umfassendes medizinisches Wissen. In Worms erscheint im Jahre 1513 das erste gedruckte Lehrbuch für Hebammen, in deren Händen die Geburtshilfe weitgehend liegt. Eines der ältesten französischen Hospitäler ist das 1195 gegründete Pariser Hôtel Dieu. Es erhält als erstes Krankenhaus in Paris schon 1630 eine eigene Abteilung für Geburtshilfe. Die Hebammenschule genießt großes Ansehen.

 

Ein Merkblatt vom 17. April 1905 der Provinzial-Hebammen-Lehranstalt in Paderborn enthält Hinweise zur Ausbildung als Hebamme. Dort heißt es unter anderem:

 

„Die Lehrkurse beginnen alljährlich am 1. Februar und am 1. September und dauern 5 Monate.

Gesuche um Zulassung sind mir bis zum 1. Januar, bzw. zum 1. August einzusenden und diesen folgenden Schriftstücke beizufügen:

1. Geburts- (Tauf-) Schein,

2. Wiederimpf - Schein,

3. Ein obrigkeitliches Führungszeugnis, in welchem ausdrücklich anzugeben ist, dass

    Kandidatin nicht außerehelich geboren hat,

4. Ein Befähigungszeugnis vom Kreisarzt.

 

Die Kosten betragen für Pflege, Unterricht usw. für gewählte Lehrtöchter 180 Mark, für selbstzahlende 300 Mark, welche beim Eintritt in die Anstalt sofort zu zahlen sind. Für Lehrbuch, Apparate usw. sind 43 Mark 30 Pfennig und für 2 den ganzen Vorderkörper bedeckende Waschschürzen, deren Anfertigung hier erfolgt, 5 Mark besonders zu entrichten. Jede Schülerin hat mindestens 2 Waschkleider, deren Ärmel bis über die Ellenbogen hinaufgeschlagen und dort befestigt werden können, mitzubringen“

 

Über die ersten Hebammen in Eilpe, Delstern und der Selbecke sind uns heute nur noch wenige Informationen bekannt.

 

Im Deutschen Reich wird am 21. Dezember 1938 ein Hebammengesetz erlassen, das unter anderem die Hinzuziehung einer Hebamme bei allen Entbindungen vorschreibt.

Anna Sänger

Hagen, Selbecker Straße 23

 

Am 26. Februar 1861 wird in Hagen Anna zur Nieden geboren. Sie besucht die Hebammenschule in Paderborn, lässt sich dort zur Hebamme ausbilden und besteht dort im Alter von nur 23 Jahren am 29. Mai 1884 die Abschlussprüfung mit der Note gut. Nachdem sie den Bäckermeister Franz Sänger geheiratet hat, übt sie in Hagen – Eilpe ihren Beruf als Hebamme aus. Jährlich hat Frau Sänger der Stadt Hagen das Hebammenzeugnis,  ihr Hebammentagebuch zusammen mit weiteren Unterlagen vorzulegen und sich wie alle später zugelassenen Hebammen einer Nachprüfung zu unterziehen. Für diese Prüfung ist die gesamte Ausrüstung mitzubringen. In einem Verzeichnis der Stadt Hagen vom 3. Juni 1890 über die in der Stadt Hagen zugelassenen Hebammen wird Frau Sänger als Bezirkshebamme aufgeführt.

Lina Rafflenbeul

Hagen, Eilper Straße 81

 

In Rummenohl erblickt am 28. Oktober 1869 Lina Büser das Licht der Welt. Sie lässt sich in Hannover zur Hebamme ausbilden und erhält dort am 31 August 1890 ihr Abschlusszeugnis. Nach ihrer Heirat mit dem Gießer Ernst Rafflenbeul wohnt die Hebamme zunächst in der Eilper Straße 23. Später verzieht sie mit ihrer Familie in die Eilper Straße 81. Dort hat im Nachbarhaus der Arzt Dr. med. Eduard Bosch im Jahre 1876 die erste Praxis in Eilpe eröffnet. In Eilpe und der Selbecke ist diese Hebamme viele Jahre in der Schwangerenberatung, der Geburtshilfe und der Wöchnerinnenbetreuung tätig.

 

Anna Keller

 

Hagen, Kurfürstenstraße 12

 

Als am 24. April 1862 in Kierspe Anna Isenburg geboren wird, ahnen ihre Eltern noch nicht, dass das kleine Mädchen etwa drei Jahrzehnte später in Hagen – Eilpe einmal einen Beruf als Hebamme ausüben wird. Die junge Frau besucht die Hebammenschule in Paderborn und besteht dort die Prüfung am 30. Januar 1891. Vielleicht hat die Liebe die Hebamme in Eilpe sesshaft werden lassen. Anna Isenburg heiratet den Feilenhauer Richard Keller und übt von der Kurfürstenstraße 12 ihren Beruf als Hebamme aus.

Berta Maßmann

Hagen, Delsterner Straße 6 – später: Eilper Straße 72

 

Berta Klara Eckhardt, geboren am 19. März 1884 in Haspe, heiratet am 23. Mai 1905 auf dem Standesamt Haspe Friedrich Wilhelm Maßmann.

  Nach ihrer Heirat entschließt sich Frau Maßmann im Alter von 25 Jahren den Hebammenberuf zu ergreifen. Sie besucht neun Monate die Staatliche Hebammenlehranstalt in Paderborn. Dort besteht sie im Jahre 1911 ihr Examen mit der Note „sehr gut“. Alsbald ist Frau Maßmann für eine kurze Zeit in Haspe als Hebamme tätig. Ihr Ehemann ist als Former bei der Gießerei Joh. Casp. Post Söhne in Hagen – Eilpe beschäftigt. Vielleicht wird deshalb schon bald der Wohnsitz von Haspe nach Delstern und später nach Eilpe verlegt. Frau Maßmann betätigt sich etwa ab 1912 als Hebamme für die Stadtteile Eilpe, Delstern und Ambrock.

 

Wenn Frau Maßmann zu plaudern beginnt, darf man nicht darauf spekulieren, Schlafzimmer- oder Berufsgeheimnisse zu erfahren. Dennoch wird manches Amüsante und Interessante wiedergegeben. Seit 1911 als Hebamme in Hagen und von 1912 bis 1943 in Eilpe und Delstern verhalf sie mehr als 3000 Hagener Mädchen und Jungen in die Welt, von denen nicht wenige die ersten liebevollen Prügel ihres Lebens bezogen, wenn sie sich nicht dazu bequemen wollten, ihren Eintritt ins Leben durch gebührendes Geschrei kundzutun. Kilometerlange Wege sind oft am Tage zurückzulegen. Fahrmöglichkeiten bestehen meistens nicht. Nächtelang ist die "Storchentante" oft auf den Beinen, wenn drei und mehr Kinder geboren werden. Ungern erinnert sie sich auch der Notzeiten im ersten Weltkrieg. Wird Frau Maßmann dringend im Volmetal benötigt, stellt die Eisenbahn vom Bahnhof Delstern aus auch schon einmal eine Lokomotive zur Verfügung oder setzt eigens einen Sonderwagen ein, der sie dann nach Dahl oder Rummenohl bringt. Die Lokführer schimpften zwar über die Überstunden, aber die Dorfbewohner schmunzelten: „Wieder ist ein Sonderzug mit Babys eingetroffen.“

 

Der tüchtigen Hebamme wird zu keiner Tageszeit – bei Tag und bei Nacht, im Sommer wie im Winter – der Weg zu weit oder zu beschwerlich, wenn ihre Hilfe auf den Höfen bei Kattenohl oder Hunsdiek und in den Tälern links und rechts der Volme verlangt wird.

 

Als um 1923 die Hebammengesetze erkämpft werden, vertritt Berta Maßmann als Delegierte im Landtag die mehr als 50 Hebammen im damaligen Kreis Hagen. Über 25 Jahre ist sie Vorsitzende des Hebammen-Vereins in Hagen.

 

In einem Zeitungsinterview erinnert sich die Hebamme so mancher der im Krachen der Bomben ausgestandenen Stunde am Bett einer Wöchnerin  und sie gedenkt mit Wehmut all derer, die mit ihrer Hilfe das Licht der Welt erblickten und während des Zweiten Weltkrieges starben. Während des Krieges ist Frau Maßmann in den Krankenhäusern tätig, aber auch in den Bezirken um Boele, Boelerheide und Eckesey.

 

Inzwischen, so berichtet Frau Maßmann im Jahre 1949, hat der Hebammenberuf aufgehört, goldenen Boden zu haben. Durch das Entstehen von Frauenkliniken und Geburtsabteilungen von Krankenhäusern, vor allem aber durch die Wohnverhältnisse der Nachkriegszeit sind die Hausgeburten zurückgegangen. Während es früher im Durchschnitt etwa 100 Hausgeburten im Jahr gab, ist der Anteil im Jahre 1949 auf etwa 40 gesunken. Bis zum Jahre 1950 hat Frau Maßmann ihren Beruf ausgeübt.

 

Am 19. März 1964 feiert Frau Maßmann im Kreis ihrer Familie ihren 80. Geburtstag. Vor einem halben Jahr entband sie das letzte Kind, ihre Urenkelin Iris, die neben ihren beiden Kindern, fünf Enkeln und zwei Urenkeln an ihrem Ehrentag zu den ersten Gratulanten zählen.

 

Emmi Schöneweiß

Hagen, Selbecker Straße 142

 

In Hagen - Eilpe in der Franzstrasse wird am 22. Juni 1909 Emilie Schöneweiß als fünftes und jüngstes Kind ihrer Eltern Adam und Elisabeth Schöneweiß geboren. Nach der Schulzeit beginnt Emmi, wie sie sich künftig nennt, eine kaufmännische Ausbildung. Doch im Alter von 25 Jahren wechselt Emmi Schöneweiß ihren Beruf. Sie besucht vom 1. Oktober 1934 bis zum 31. März 1936 die Hebammenlehranstalt (Landes-Frauenklinik) in Paderborn. Nach ihrer Prüfung am 30. und 31. März 1936 ist die junge Frau nun staatlich geprüfte Hebamme mit der Berechtigung, in Preußen ihren Beruf freiberuflich ausüben zu dürfen.

 

Wenige Tage nach der bestandenen Prüfung ist auf einem Emailleschild in der Franzstraße zu lesen: "Emmi Schöneweiß Hebamme". Im Jahre 1936 gibt es 45 Hebammen in der Stadt. Von einer Schulkameradin wird sie alsbald zu ihrer ersten Entbindung in Anwesenheit von Dr. med. Eduard Bosch gerufen. Bald ist von dem Sonntagsjungen das erste Schreien zu hören, hatte es doch den unvermeidlichen Klaps dorthin gegeben, wo der Weltenschmerz anfängt. Ganz hinten. Unermüdlich ist die Hebamme zu Fuß oder mit dem Fahrrad in Eilpe, Delstern und der Selbecke unterwegs. Sie sagte einmal: "Das einzig Schöne an unserem Beruf ist die Tatsache, dass man an der Freude innerhalb der Familie so direkt teilnehmen kann, und dass wir den Müttern helfen können“. Irgendwann ist Frau Schöneweiß auch bei einer Entbindung anwesend, die in einem Ziegenstall bei Kerzenlicht In der Welle stattfindet.

 

Häufig wird Emmi Schöneweiß auch in der Nacht gerufen. Es fällt nicht immer leicht das warme Bett zu verlassen um zu einer Entbindung zu eilen. Regen oder Hitze, Eis und Schnee sind die stillen Wegbegleiter auf den oft weiten Wegen bis zum Hof Kötting und nach Zurstraße, aber auch bis zum Waterhövel und nach Hunsdiek oder zu abgelegenen Gehöften im Volmetal. Dramatischer wird es für die Hebamme im Zweiten Weltkrieg. Bombenalarm und Tiefflieger zwingen sie, wenn sie zu einer Geburt unterwegs ist, in Kellern oder Gräben Schutz zu suchen. Während des Zweiten Weltkrieges wird bei einem Luftangriff ihre Wohnung zerstört und Frau Schöneweiß muss in die Flurstraße und später in die Selbecker Straße umziehen. Später müssen Wegpassagen bei der Besatzungsmacht erkämpft werden. Irgendwann wird nach dem Krieg der Führschein gemacht. Nun kann Frau Schöneweiß leichter und schneller zur Hausgeburt fahren. Im April 1961 wird mit befreundeten Hebammen das silberne Berufjubiläum gefeiert. "Eine Hebamme muss verzichten können. Wenn sie es nicht kann, hat sie es zu erlernen". Das sagte ihr vor 25 Jahren eine Oberin in Paderborn und Frau Emmi Schöneweiß hat es erlernt. Bei dieser Gelegenheit erinnert sie sich an die amüsanteste Entbindung in ihrem Beruf. „Die amüsanteste Geburt erlebte ich während eines Zirkusgastspiels in Hagen. Der hatte seine Sensation als die Tochter des Direktors einen Sohn gebar. Um mich herum herrschte ein buntes Treiben der Clowns und Artisten“.

 

Bis zu ihrem Jubiläum hatten etwa 2 000 Kinder mit ihrer Hilfe das Licht der Welt erblickt, davon des öfteren Zwillinge, aber nur einmal Drillinge. Statistisch gesehen waren es 1 238 Entbindungen, 238 Fehlgeburten und etwa 700 Geburten.

 

Bis zum Jahre 1964 ist Frau Schöneweiß frei praktizierende Hebamme, später ist sie in der Klinik Dr. Fasbender und danach im Evangelischen Krankenhaus in Hagen – Haspe beschäftigt. Als sie 1975 in den wohlverdienten Ruhestand geht, sagt sie rückblickend: "ich habe nicht geheiratet und habe auch keine eigenen Kinder – trotzdem bin ich ein wenig stolz darauf ganz viele Kinder zu haben".

 

Frau Schöneweiß verstirbt am 26. Mai 2002 im Alter von 93 Jahren.

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